Die Kälte

Dumpfes Pochen in einem Raum gefüllt von Erinnerungen.

Knarzende Stühle und mit Staub bedeckte Schränke umrunden das beklemmende Gefühl der Leere und Bedeutungslosigkeit. Wärme hat an Wert verloren und Erinnerungen sind zu schmerzenden Stichen in einem sonst schon so lädierten Herzen geworden.

Gedanken drehen sich im Kreis um eine dunkle Welt. Die Menschlichkeit wurde von gestrigen Schüssen ausgerottet und das Bewusstsein vom rechten Weg hat gänzlich seine Kühnheit verloren. Heute rühmen wir uns noch mit den Taten von gestern und morgen schon werden wir uns selbst dabei zusehen müssen, wie unsere Köpfe hart am Randstein der Gewissheit aufschlagen.

Doch jetzt sitzt sie hier, in der Mitte des Raums, kränklich bleich im Schein der Halogenlampe, und spürt, wie die Wände langsam auf sie zukommen. Ja, jetzt noch sitzt sie hier-die Menschheit-, starr und gebeugt kauert sie an diesem tristen Ort und schaut aus dem Fenster.

Dicke Schneeflocken fallen vom Himmel und vermischen sich in ihrem verheißungsvollen Tanze zu einer undurchdringlichen, grauen Masse.

Unausgesprochene Gedanken hängen wie Nebelfetzen in der Luft.

Die Tage ziehen sich dahin und noch so viele Tränen lassen den Winter nicht vorübergehen.

Im Mund haben wir noch den bitteren Nachgeschmack einstiger Vorsätze und die herben Küsse der Vergangenheit, die noch auf unseren Zungen weiterleben, erinnern uns klagend daran, dass wir uns alle doch einst Liebe und Innigkeit geschworen haben. Mit großen Ankündigungen wurden Vorhaben verschleiert, doch jetzt, wo kein Vorhang mehr Halt für unsere müden Augen bietet, erkennen wir die Unwahrhaftigkeit des Seins. Wir haben viel zu lange gehofft und auf diesen hölzernen Stühlen sitzend, dem kalten Treiben der Schneeflocken zugesehen. Nun drehen wir uns in diesem Raum im Kreise; um unsre eigene Achse; kommen keinen Schritt voran. Alles hat an Sinn verloren und von der dicken Staubschicht der Vergangenheit bedeckt legen wir uns auf den steinernen Boden der Realität.

Es gibt kein Entrinnen; kein Entkommen mehr, von den eigenen Gräueltaten.

Ruhig liegen wir hier und ersehnen die Nacht. Vollkommen leer warten wir darauf, bis unser Leben vom Grau ins Schwarz gleitet. Die Chancen sind verspielt und die Möglichkeiten unbeachtet. Leise pochen sie noch vor sich hin, unsere schwachen Herzen und warten einsam auf Erlösung, während die Kälte nach unseren Leibern greift.
Der Mond hoch steht
Und er verrät,
wer dort geht, wer dort geht

Der Wind sich dreht,
herüber weht,
zu dem der geht, zu dem der geht.

Ein Rabe kräht,
nach jenem späht,
der noch geht, der noch geht.

Aufgebläht,
er ihn anfleht,
den der geht, den der geht.

Nun ist es spät,
er missversteht
und geht, und geht.
Hinaus will ich, einen Fuß vor den anderen setzen,
nie mehr zurückblicken müssen,
wenn mich das Fernweh packt.
Ich gehör ganz ihm, kann mich ihm nicht entziehen.
In die „Ferne“ soll mein Blick schweifen,
und das jetzige „Weh“ vergehen.

Ich will

Ich will in Blumenwiesen tauchen,
aufatmen und drinnen untergehn,
ich will die Sonne kosten und satt werden an ihrer Pracht,
ich will die Stille hören und für sie singen, bis sie still wird vor lauter Neid,
ich will den Wind umarmen und nie wieder gehen lassen,
ich will im freien Fall fliegen und tanzen während ich mich dort so dreh,
ich will dich küssen und deinen fragenden Blick sehen,
während ich dir zulache und mit den Schultern zucke,
ich will mein Gesicht vergraben in trockenem Herbstlaub,
ich will für die Welt die Tür öffnen und mit ihr hinausgehn,
ich will den Staub der Vergangenheit von meinen Wegen kehren
und endlich die klare Luft des Neubeginns atmen,
ich will alles jetzt und hier,
und doch will ich nichts so sehr, als glücklich sein.
Sanft verhallt der Klang,
verliert sich und wird ganz leis,
ich sitz noch da und lausch dem Ton,
der zart mein Herz umfasst
und wärmt in seinem Trost.
Meine Seele schweigt, mein Kopf so schwer,
den Kummer nimmt er mit.